Fluchtbericht einer Familie aus Posilge
(Verfasser ungenannt)
Der zweite Weltkrieg hat in seinem letzten Jahr unendlich viel Leid für die Zivilbevölkerung gebracht. Besonders die Ost- und Westpreußen waren davon in hohem Maße betroffen. Viele Familien sind völlig ausgelöscht worden, andere überlebten nur mit wenigen Mitgliedern. Die Überlebenden haben dabei schier unmenschliche Strapazen erdulden müssen und verdanken ihr Überleben oft glücklichen Zufällen.
Hin und wieder trifft man auch auf Familien, deren Schicksal, wenn man es mit den vielen anderen vergleicht, etwas milder zu sein scheint. Dazu kann sich die Familie J. aus Posilge zählen. Natürlich mussten auch sie die Heimat unter schwierigsten Umständen verlassen. Auch sie mussten im Schneechaos und klirrender Kälte mit kleinen Kindern teilweise zu Fuß sich und etwas Habe retten. Doch am Ende zählt, dass sie alle früher oder später im Westen zusammenkommen konnten, um einen Neubeginn zu starten.
1944 waren die Eltern J. mit zwei Töchtern und einem Sohn noch in Posilge, bzw. Danzig zusammen. Der damals 18 jährige Sohn wurde zur Wehrmacht eingezogen, geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft und wurde bereits im Sommer 45 entlassen. Er fand seine Eltern im Mai 1946 in Salzgitter wieder und konnte nun mit einer Berufausbildung (Lehrerstudium) beginnen. Seinen Beruf hat er hier 37 Jahre bis zu seiner Pensionierung ausgeübt.
Die Flucht der Eltern begann in Posilge am 14. Januar 45 zusammen mit einer Tochter und einem Enkelkind. Die ersten 20 km (bis Tiegenhof) wurden in einem Militärauto schnell und verhältnismäßig bequem zurückgelegt. Doch dann ging es zu Fuß mit einem Schlitten bis Neumünsterberg an der Weichsel zur älteren Tochter, die dort mit ihren drei kleinen Kindern wohnte. Gemeinsam wurde die Flucht fortgesetzt. Von Danzig gelangten sie per Schiff nach Rostock. Hier trennte man sich. Die Eltern J. zogen zu Verwandten nach Dassow, bei Lübeck. Die beiden Töchter verschlug es mit ihren Kindern nach Westerstede.
Der Krieg war in inzwischen beendet. Die eine Tochter konnte bald mit ihrem Sohn nach Salzgitter ziehen, wo sie schon während des Krieges gewohnt hatte und nur wegen der häufigen Bombenangriffe nach Posilge evakuiert worden war. Bereits im Dezember 45 konnte sie dort auch ihre Eltern aus Dassow begrüßen. Als ihr Mann im Sommer 48 aus russischer Gefangenschaft kam, war die Familie wieder komplett.
Auch die Familie der anderen Tochter mit den drei Kindern war nach einiger Zeit wieder vollständig, nachdem der Ehemann aus russischem Gefangenenlager entlassen worden war und in Hamburg eine Existent aufbauen konnte. Es erscheint fast wie ein Wunder, dass alle Kinder, Schwiegerkinder und Enkelkinder der Familie J. das Chaos des Krieges überleben und im Westen zusammenkommen konnte.
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