März 2003: Nach 57 Jahren wieder in der Geburtsstadt Christburg

März 2003: Nach 57 Jahren wieder in der Geburtsstadt Christburg

Die Reise war ein Geburtstagsgeschenk der Simone Snykers an ihre Mutter Gertraud, geb. Bernhardt.
Als Reisebegleitung fuhren noch Schwester Anneliese und Freundin Helene Lerch mit.

"Als wir in Marienburg in den Bahnhof einfuhren, begrüsste uns Herr Zajdowski mit den Worten: 'Meine Damen, willkommen in der Heimat! Willkommen in Westpreussen.'
Zusammen mit Herrn Zajdowski fuhren wir mit dem Auto in Richtung Christburg zum ehemaligen Kloster, das jetzt unsere Hotelunterkunft war. Wir bekamen unsere Zimmer, die für polnische Verhältnisse wirklich sehr gut  waren und trafen uns dann alle zum Abendessen. Dabei besprachen wir die weitere Planung.

Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück  zu einem ersten Rundgang los. Wir standen auf der Schulstrasse. Unser Blick richtete sich gleich auf die Turnhalle und die ehemalige Volksschule, die direkt vor uns lagen. 'Genau wie früher', schwärmten die Damen und verfielen gleich in Mädchengeschichten und erinnerten sich an einige Lehrer, wie an Herrn Fuhlbrügge.

Wir gingen die Schulstrasse hinauf in Richtung Rosenbergstrasse und blieben kurz am Spritzenhaus stehen, um ein Erinnerungsfoto zu machen.
Manches hatte sich verändert. Wir blickten auf ein neues Magistratsgebäude und Mehrfamilienhäuser mit 3 - 4 Etagen. Eine fremde Kulisse. Wir setzten unseren Rundgang fort und bogen in die Stanauer Strasse. Das Fachwerkhaus auf der linken Seite sorgte gleich für neuen Gesprächsstoff, denn dort wohnte einst Dr. Meisner. Weiter sahen wir die Schlosserei Quedenau und auch einige Mietshäuser. Am Umspannwerk schauten wir auf ein bekanntes Panorama. Weiter auf der Friedhofstrasse fanden wir die Neuapostolische Gemeinde und erreichten den Friedhof. Die Gräber waren geplündert und verwildert. Nur noch Grabbegrenzungen und Steinsockel waren zu erkennen. Uns wurde bewusst wieviel Zeit inzwischen vergangen war.

Herr Zajdowski hatte einen Termin mit der Direktorin der ehemaligen Volksschule vereinbart. Uns stand eine sehr freundliche, junge Dame gegenüber, die mit uns durch das ganze Gebäude lief. Sie schloss Klassenräume auf und erzählte von vielen Besuchern, die gerne noch einmal die alte Schulbank drücken wollten. Auch unsere Damen betraten "ihren" Klassenraum und Helene  gestand später, dass sie ihrer Vergangenheit besonders nah gewesen war.

Im Geschichtsraum gab es eine Ausstellung über die Zeit vor 1945. Zum Schluss noch schnell ein Foto für die Chronik von Schulklassen und Ehemaligen.

Der nächste Tag war der Marienburgtag. Zurück in Christburg machten wir am Abend noch einen Spaziergang.  Vor uns lag der Annaberg. Obenauf, der Friedhof und die kleine Kapelle. Wir fand noch viel Gräber mit deutschen Familiennamen. Wir suchten aber vergebens die evangelische Kirche. In der Hermann-Enns-Strasse sahen wir das evangelische Pfarrheim. In der kleinen Georgenstrasse Nr 3 hielt meine Mutter an und zeigte uns ihr Geburtshaus. Wir schwiegen und liessen Mutter mit ihren Gedanken allein.

Über die Töpferstrasse erreichten wir den Sorgefluss und überquerten ihn auf einer alten Holzbrücke, an die sich Anneliese besonders gut erinnerte.  -  Der dritte Tag war Besuchstag bei Familie Kantel, die 1946 nach Christburg zurückgekehrt war. Auf dem Heimweg kamen wir am Sorgestau vorbei. Wir schlossen die Augen und hörten den Fluss.

Bei der Molkerei Bremer schwärmte meine Mutter von dem Marktplatz mit den wunderschönen Lauben, die es jetzt nicht mehr gab.

Am letzten Tag passierten wir den "Berliner Hof" und den "Stenzlerischen Krug" und kamen zum Postgebäude. Es ist auch heute noch Post. In der Feldstrasse stellten wir fest, dass aus dem ehemaligen Krankenhaus ein Gymnasium geworden ist. Das alte Gerichtsgebäude und den Bahnhof  gibt es nicht mehr , aber das Kino war noch  zu erkennen.

Unsere Reise neigte sich dem Ende zu. Jeder von uns hatte viele Eindrücke gesammelt, und es wurden Erinnerungen geweckt, bei den wir lachten, aber auch solche , bei den wir schwiegen oder gar weinten."